Christina Wenz, meine Lieblingsmediatorin, hat zur Blogparade zum Thema „Wie werde ich zum Konfliktmeister?“ aufgerufen. Da bin ich gerne dabei!

Ich gebe es gleich am Anfang zu: Ich bin weit davon entfernt, eine Konfliktmeisterin zu sein. Denn als eine außerordentlich harmoniesüchtige Person fühle ich mich am wohlsten, wenn alles Friede, Freude, Eierkuchen um mich herum ist. Konflikte liegen mir schwer im Magen, selbst an den kleinsten Kollisionen knabbere ich oft mehrere Tage lang herum und zermartere mir das Hirn, was ich hätte besser machen können. Und dann ärgere ich mich am meisten über mich selbst: weil ich selbst so uncool damit umgehe.

Bin ich daher eine Ratgeberin, die dir den Weg zeigen kann, wie du es besser machen kannst?

Wohl kaum.

Bin ich eine Person, die du bei ihren Überlegungen begleiten kannst und dann für dich selber überlegst, was du davon gebrauchen und welche Entwicklungsschritte du abkupfern kannst?

Das dann schon eher.

Warum überhaupt an der Konfliktfähigkeit arbeiten?

Ja, warum eigentlich? Hin und wieder Vogel Strauß spielen, und alles bleibt heil im Innern. Wäre ja toll, wenn es so einfach wäre! Nun gibt es ja Konflikte, die sind im Nachhinein nur eine kleine Welle im Ozean der Gefühle, andere können sich zu großen Tsunamis entwickeln, die alles mit sich reißen und weitreichende Folgen haben. Bei mir sind das z.B. vor allem alle Themen mit dem Ex rund ums Kind, da helfe ich weder mir noch meinem Sohn, wenn ich die nicht klären würde.

Andere Konflikte hingegen – vor allem mit Fremden – sind zwar äußerst unschön, aber in der Regel nicht wirklich bedeutend. Wir haben ja auch einen Hund, da kommt man in der Stadt schneller in einen Disput als man schauen kann.

Trotz aller Harmoniesucht: Eine gute, souveräne Konfliktlösungsstrategie zu entwickeln ist eins meiner Lebensziele. Allein, um nach einer hässlichen Begegnung schnell wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Und ja – auch um langfristig gesund zu bleiben. Unbewältigte Konflikte haben ja leider die Tendenz, dass man sie verinnerlicht, sie „in sich hineinfrisst“, und ich will solche Dämonen wirklich nicht in meinem Körper haben!

Was hilft

Du kennst das vielleicht auch von dir selbst: Wenn ich weiß, dass ich mich in einem bestimmten Bereich entwickeln muss, damit ich mich wieder wohlfühlen kann, gehe ich auf die Pirsch und suche nach den richtigen Büchern und Theorien. Und so habe ich in einer Zeit, in der es mir vor miesem Gewissen so richtig schlecht ging, weil ich selbst die unausgetragenen Konflikte in Aggressionen umwandelte, die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg* entdeckt.

Das war genau das Richtige für mich!

Allein vom Durchlesen fand ich eine unglaubliche Ruhe, sämtliche Aggressionen schienen sich in Luft aufgelöst zu haben (der eigentliche Konflikt war natürlich noch da, aber die Aggressionen waren weg – so fühlte sich das damals zumindest an).

Nun ist es mit dem Lesen eines Buches allein nicht getan. Auch nicht mit dem Lesen von mehreren Büchern, die in die gleiche Richtung gehen und sich auf die Lehren von Rosenberg beziehen – und davon gibt es reichlich.

Kleiner Buchempfehlungs-Einschub: Sehr, sehr hilfreich fand ich z.B. diesbezüglich auch Mama, was schreist du so laut?* oder Ich will anders als du willst*, beide von Britta Hahn und Praktische Selbst-Empathie* von Gerlinde R. Fritsch. Einschub Ende.

Demnach kann man im Konfliktfall so vorgehen:

  • Eigene Beobachtung beschreiben – ohne zu bewerten. Ggfs. nachfragen: „Ist meine Beobachtung richtig?“
  • Die eigenen Gefühle beschreiben – was macht das mit mir? Welches grundlegende Bedürfnis liegt diesem Gefühl zugrunde?
  • Daraus folgernd eine spezifische Bitte formulieren.

Der Konfliktpartner hat übrigens das Recht, Nein zu der Bitte zu sagen. Aber dann kann man nachfassen mit wertschätzenden Fragen, bis man den Kernpunkt des Konflikts „knackt“.

(Das ist natürlich jetzt arg gekürzt, die GfK quasi in der „Nutshell“, und wird ihr in dieser Kurzform überhaupt nicht gerecht. Ich will auch nicht groß darüber referieren, ich bin schließlich auch nur GfK-Leserin und nicht Trainerin. Wenn du dich dafür interessierst, reicht es schon, nach „GfK“ zu suchen, und du findest eine Fülle von weitergehenden, detaillierten Informationen neben den von mir oben genannten Buchempfehlungen.)

Diese Struktur ist an sich recht einprägsam, aber es ist wirklich eine Herausforderung, sich im Akutfall daran zu erinnern und das Schema abzurufen, wenn die Gäule schon mit einem durchzugehen drohen! Und ich spreche hier aus Erfahrung.

Das Zauberwort heißt „Üben“

Ich tappe nach wie vor in meine klassischen Verhaltensmuster. Noch bin ich nicht so weit, dass ich sofort in einer neuen Konfliktsituation blitzschnell richtig nach Rosenberg reagiere. Auch brauche ich meistens Zeit, um den Konflikt in Gedanken durchzugehen und meine Ideen, wie ich den Konfliktpartner ansprechen könnte, zu sortieren.

Wer wie ich jahrzehntelang mit Konflikten amateurhaft herumdümpelt, kann nicht erwarten, dass man innerhalb von kürzester Zeit zum Profi (sprich Konfliktmeister) wird, oder?

Aber ich habe reichlich Übungspotenzial 🙂 Zum Beispiel mit meinem Sohn, der noch recht unschuldig und offen in Konflikte geht und auch seine Gefühle gerade lernt auszudrücken. Da ist es schon viel schwieriger mit Erwachsenen, die im Laufe ihres Lebens ganz spezielle, große Ohren für bestimmte Konfliktsituationen ausgebildet haben und auch schon mal gleich abschotten. Dann gehört schon viel mehr Professionalität bzw. Expertise dazu, solche jahrelang aufgebauten Mauern abzubauen.

Weitere Übungsmöglichkeiten für mich sind die Alltagsstreitigkeiten rund um den Hund. Da geht es dann in der Regel um relativ wenig. Oder evtl. mit dem Vermieter oder den Nachbarn. Dir fallen bestimmt noch andere Möglichkeiten ein, oder?

Wenn es aber mal wirklich um die Wurst gehen sollte (Sorgestreitigkeiten um das Kind z.B.), dann würde ich immer einen professionellen Mediator, der möglicherweise mit  Rosenberg vertraut ist, einschalten. Es ist sehr beruhigend, wenn man einen neutralen Profi dazwischen hat, der darauf achtet, dass beide Seiten eine gute Lösung erarbeiten und nicht eine Streitpartei meint, sie würde in eine Ecke gedrängt und muss jetzt Ja zu allem sagen, damit endlich Frieden herrscht.

Weitere Tricks und Tipps, die ich selbst anwende

Zugegeben, manchmal wirkt GfK-Sprech sehr bemüht und angestrengt, quasi „overdressed“ für manchen Ärger. Ein anderes Mal spürt man aber auch wenig Energie, in die Konfrontation und anstrengende Lösungssuche zu gehen.

Wenn du gerade an vielen Fronten zu kämpfen hast, macht es durchaus Sinn, mit den eigenen Kräften zu haushalten und sich nicht zu viel Perfektion abzuverlangen.

In solchen Fällen bleibe ich meistens bei mir und versuche erst einmal, den Knoten in mir zu lösen, um die aufwühlenden Emotionen auf ein erträgliches Maß herunter zu holen. Das geht bei mir sehr gut mit

  1. Einen Brief / eine Email schreiben, ein paar Tage liegen lassen und erst danach entscheiden, ob er abgeschickt wird. In 99% der Fälle schicke ich ihn nicht ab. Aber die Emotionen sind artikuliert und helfen mir enorm beim Loslassen.
  2. Auch sehr gut: Ein Schrei-File erstellen 😉 Einen Audio-Recorder (bzw. eine Audio-App) hernehmen und alles herausbrüllen. Abspeichern. Nie wieder anhören. Die Datei (=File) gut verstecken oder später löschen. Ich kann dir aus eigener Erfahrung versichern: Wirkt sehr, sehr befreiend, gerade wenn man eher zu den Leuten gehört, die sich nicht trauen, ihrer Wut und der vorhandenen Aggression offen Raum zu geben.

Natürlich kannst du auch einen Boxsack hernehmen oder ins Fitness-Studio gehen und dich körperlich verausgaben. Ich denke mal, dass das die gleiche Wirkung haben mag – die negative Energie muss ja irgendwo hin! Ich persönlich finde das Schrei-File schneller und unkomplizierter umsetzbar.

Allerdings: Das Schrei-File gehört definitiv nicht in fremde Hände bzw. Ohren! Also nicht wie beim Brief oder bei der Email später entscheiden: Ha, das schicke ich ihm jetzt! Danach hast du wahrscheinlich nur noch Scherben aufzukehren. Klar, oder? Es soll wirklich nur der Selbstheilung dienen und nicht die Kommunikation ersetzen.

Und weißt du was? Es würde mich nicht wundern, wenn dir die Lösung des Konflikts danach – wenn die Aggressionen erst einmal im trauten Kämmerlein losgelassen sind – viel leichter “ins Gesicht springt”.

Fazit

Das Ignorieren eines Konflikts hilft nicht wirklich weiter auf dem Weg zur Meisterschaft! Ich habe mir vorgenommen, die Gewaltfreie Kommunikation mehr und mehr in meinen harmoniesüchtigen Konfliktalltag zu integrieren. Wenn ich merke, ich brauche etwas anderes, um meine Emotionen zu managen, und zwar nur für mich, schrei(b)e ich es heraus. Sozusagen als Notanker zur Aktivierung meiner Selbstheilungskräfte.

Wenn aber eine wichtige Lösung herbeigeführt werden muss, dann würde ich immer einen neutralen Mediations-Profi wie z.B. Christina Wenz hinzuholen. Vorausgesetzt, der Konfliktpartner ist willig, mitzuarbeiten.

Wie ist das bei dir? Wie handhabst du schwierige Alltags-Konflikte? Woran knabberst du am meisten, wie hilfst du dir selbst? Ich freue mich auf deinen Kommentar weiter unten!

 

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