Was der unabgesprochene Gang zum Friseur mit emotionaler Gewalt zu tun hat

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Kennst du diese Situation? Dein kleines Kind kommt vom Umgang nach Hause und die Haare sind raspelkurz geschnitten? Im günstigsten Fall vom Profi geschnitten und es sieht wenigstens gut aus – im schlechtesten Fall hat sich die Next an diese für sie zu große Aufgabe gewagt.

Solltest du einen toxischen Ex-Partner haben, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass dieses Vorhaben mit dir nicht abgesprochen wurde.

Der unbeteiligte Leser mag sich denken: „Na und? Auch ein Kind muss mal zum Friseur, und Haare wachsen nach. Habt ihr keine anderen Probleme?

Also prinzipiell gilt ja bei uns Müttern mit toxischen Ex-Partnern: Der Problemkessel ist immer und beständig randvoll gefüllt. Pick one and cope with the emotions!

Und heute möchte ich mit dir genau über diesen Mini-Aspekt, der im Übrigen gar nicht mal so „mini“ ist, sprechen:

 

Über die emotionale Gewalt, die mit dem unabgesprochenen Gang zum Friseur ausgeübt wird

Über den Subtext, der damit transportiert wird. Damit du deine Verwirrung und widersprüchlichen Gedanken selbst sortieren und in die Klarheit kommen kannst.

Wir erinnern uns: toxisch-narzisstische Menschen wollen die Kontrolle über ihre Ex-Partner behalten.

Sie wollen bestimmen und beherrschen. Aber in erster Linie sind sie derartig gekränkt in unserer Ablehnung ihnen gegenüber, dass sie jede noch so kleine Gelegenheit nutzen, um uns die Kränkung heimzuzahlen.

Empathisch einfühlen können sie sich zwar nicht, aber sie wissen und haben gelernt, wie wichtig unsere Kinder für uns sind. Dass wir uns Gedanken darüber machen, wie sie aufwachsen, dass wir sie vor allem Bösen schützen wollen, dass wir ihnen eine unbeschwerte Kindheit wünschen.

Wir sind so engagiert und liebevoll, wenn wir mit unseren Kindern umgehen!

Je kleiner das Kind, umso mehr kümmern und sorgen wir uns. Und diese Hingebung, diese Aufmerksamkeit, diese tiefe, innige Bindung triggert krankhafte Narzissten enorm.

Jetzt ist es prinzipiell ja in Ordnung, wenn ein Vater mit seinem Kind zum Friseur geht. Es wird dann zum Hinweis eines toxischen Verhaltens, wenn er sich früher nicht einen Deut dafür interessiert hat, wie das Kind aussieht und ob es beim Friseur war oder nicht und diese lästigen Aufgaben stets der Mutter überlassen hat.

Wenn es dann nach der Trennung zu einem Friseurbesuch aus heiterem Himmel kommt und das Kind wird gegen seinen eigentlichen Willen – falls es diesen Willen schon hat – zu einer anderen Frisur überredet, dann darf sich die Mutter schon zu Recht mit der Frage auseinandersetzen, woher dieses plötzliche Interesse an einer anderen Frisur kommt bzw. was damit eigentlich bezweckt werden soll.

In meinem persönlichen Fall war es übrigens nicht der Kindsvater, der mit dem einjährigen Wuschelkopf-Baby zum Friseur ging, sondern seine Mutter, die wie ein Krake immer wieder in dem Jahr ihre Besitzansprüche am Kind unter Beweis stellte. Die damals stundenlange Spaziergänge ohne Handy unternahm, damit ich sie nicht erreichen konnte. Eine hochgradig übergriffige Person, die mich ab- und bewertete, wo sie nur konnte.

Jedenfalls ging die Oma an einem Tag, an dem ich ihr das Baby anvertraute, um nach Möbeln shoppen zu können – der Auszug stand kurz bevor, und damals sah es noch so aus, als ob dieser Schritt gut über die Bühne gehen würde – mit unserem Sohn zu ihrem Friseur. Wohl auch, um zu „posen“.

Sie hatte rechtzeitig einen Termin organisiert. Ohne mich zu informieren. Sie hatte wohl den Kindsvater gefragt – denn der hätte ja schließlich auch was zu sagen! – aber der zuckte nur mit den Schultern und „vergaß“, mit mir darüber zu sprechen.

Jedenfalls war ich mehr als geschockt, als ich meinen Sohn ein paar Stunden später wieder in Empfang nahm. „Er hätte ja gar nicht geweint!“ wiederholte sie immer. „So ein braves Kind!“ und beobachtete mich aufmerksam, wie ich reagierte.

Die meisten Babys haben lange Zeit keine Haare – unser Sohn war von Geburt an eine Ausnahme. Mal davon abgesehen, dass man keinem Baby die Haare schneiden „muss“ – auf jeden Fall wäre es an mir gewesen, den ersten Friseurgang mit dem Kind zu unternehmen. Ich musste zu der Zeit eh schon alles selbst organisieren, vom Einkaufen über Kind zum Kinderarzt bringen oder irgendwelche Gänge zum Amt erledigen.

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Ihr Verhalten hatte u.a. diesen Subtext für mich:

„Ich mach das einfach. Weil ich es so will und für richtig halte. Und weil ich es kann!“

„Ich nehme das Kind und mache mit ihm, was ich will.“

„Ich muss dich nicht um Erlaubnis bitten – wer bist du denn schon?“

„Ich will auch wieder ein Baby haben. Das ist meins.“

Gerade der letzte Satz ist allein schon Irrsinn – aber genau dieses Gefühl hatte ich. Ich war ständig im Konkurrenzkampf mit der Mutter meines Ex. Es war extrem subtil, es hätte niemand verstanden, hätte ich das damals so formulieren können.

Jedenfalls – du kannst es dir vorstellen – war ich in heller Aufregung. Mein Ex konnte das nicht nachvollziehen, war erst unverständig („die Haare wachsen doch wieder – jetzt rege dich mal nicht künstlich auf!“), war dann aber maximal böse auf mich und nutzte diesen Vorfall später für verbale und schriftliche Attacken.

Denn ein Detail war besonders interessant: ich wusste, dass mein Ex als Baby und Kleinkind ein blondgelockter Engel war, den seine Mutter trotz wiederholter Verwechslungen mit einem Mädchen lieber in einen Matrosenanzug steckte als ihm die blonden Locken abzuschneiden! Und ich wusste, dass sie genau wegen dieser Haltung mit ihrer eigenen Schwiegermutter damals über Kreuz lag.

Sie machte also mit mir, was sie selbst als junge Mutter so vehement abgelehnt hatte.

Ich schrieb ihr jedenfalls daraufhin eine geharnischte, aber sehr klare Email, was ich von ihrem eigenmächtigen Friseurbesuch hielt.

Diese Email wurde noch Jahre später hochtrabend und äußerst gehässig zitiert, wenn mein Ex mich angehen wollte.

Als ich im Freundeskreis diese Geschichte erzählte, gab es zwei Lager – die Männer meinten allesamt „das sei doch nicht so schlimm, die Haare wachsen ja wieder!“ aber die Frauen konnten in der Regel meine Aufgebrachtheit nachvollziehen.

 

Ein einzelner Vorfall?

Jedenfalls gab es danach mehrere Jahre lang Ruhe an der Frisurfront (wir hatten ja schließlich genug andere Anlässe für emotionalen Stress).

Ich ging mit dem Sohn über die Jahre regelmäßig zum Friseur, bis er im Alter von knapp 9 Jahren meinte, dass er lieber längeres Haar haben wollte und sich weigerte, die Haare kurz schneiden zu lassen („Nur die Spitzen, bitte schön.“).

Ich ließ ihn gewähren. Es wäre mir im Traum nicht eingefallen, ihn zu einer Kurzhaarfrisur zu zwingen. Er liebte seine langen Haare, die mittlerweile schulterlang wurden. Nicht immer sah es wirklich gut aus, und nicht jeder Friseur, den wir mit ihm aufsuchten, konnte eine wirklich gute Jungen-Langhaarfrisur schneiden.

Kurz nach seinem 10. Geburtstag kam er dann jedoch nach dem Ferienumgang nach Hause, zur Wohnungstür gebracht von seinem Vater, der mich erwartungsvoll mit einem Lächeln beobachtete.

Die Haare vom Jungen waren militärisch-raspelkurz geschnitten.

Das Kind guckte mich unsicher an und hielt meinem Blick nicht stand.

Was soll ich sagen? Ich war geschockt. Weniger darüber, wie er aussah – ich persönlich fand den Haarschnitt für das sensible Kind zu „hart“ – aber mich stresste der Gedanke mehr, dass das Kind von seinem Vater dahingehend manipuliert worden war.

Habe ich eigentlich erwähnt, dass auch mein Ex eher längeres, volles und lockiges Haar hat und militärische Styles ablehnt?

Ich konnte mir jedenfalls lebhaft vorstellen, wie er den Jungen bearbeitet haben musste, damit es schließlich zu dem Sinneswandel kommen konnte.

 

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Wie reagierte ich jetzt darauf?

Gar nicht, Sweetheart.

Mein Ex musste sich dieses Mal mit der Emotion, die von meinem Gesicht gut abzulesen war, begnügen. Schließlich war ich zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich klar in meinem Wissen, wie ich mit solchen toxischen Aktionen umgehen sollte.

Ich schrieb auch keine Email im nachhinein.

Seitdem gehe ich nicht mehr zum Friseur mit dem Jungen. Wenn mein Ex sich darum kümmern möchte, gerne.

Ich lasse da los. Verhindern kann ich es eh nicht.

Wähle deine Kämpfe weise, Sweetheart.

Sich über abgeschnittene Zöpfe aufzuregen ist müßig, denn die Haare sind nun mal ab. Und ja, sie werden wieder wachsen.

Trotzdem möchte ich dich hier an dieser Stelle kurz an die Hand nehmen: Ja, deine ambivalenten Gefühle kann ich sehr gut verstehen, und ich finde das in diesem Kontext durchaus als angemessene Reaktion, wenn du dich angegriffen fühlst, obwohl es von außen wie eine Lappalie aussieht.

Ich finde es selbst nicht einfach, wie man diesen emotionalen Missbrauch am besten mit Worten beschreiben soll: Bei kleinen Kindern richtet sich der Missbrauch gegen dich, bei größeren Kindern gegen sie selbst – und damit indirekt aber dann doch wieder gegen dich.

Es gibt auch noch einen weiteren sensiblen Aspekt, den ich bei mir gespürt habe, und vielleicht geht es dir ja ähnlich:

Du hast eine tiefe Beziehung zu einem anderen Menschen aufgebaut (die du zum Kindsvater ja nicht mehr hast), und von jetzt auf nachher sieht dieser Mensch auf einmal ganz anders aus. Das Erscheinungsbild des Kindes nach dem Friseurbesuch ist dir auf einmal fremd.

Klar gibt sich dieses Gefühl schnell wieder. Aber doch ist zuerst ein Mischmasch aus unangenehmer Überraschung, vielleicht sogar Schock, und ein Fremdeln dem eigenen Kind gegenüber zu spüren.

Im Fall meines Sohnes wurde aus dem weichen, eher femininen Look des 10jährigen ein militärisch-strenger, harter Look.

Mal davon abgesehen, dass ich nicht darauf bestanden hatte, dass der Junge die langen Haare behalten sollte – ich fand es für das einfühlsame Kind einfach stimmiger.

Jedenfalls hatte der Kindsvater – wenn auch kurzfristigen – Erfolg mit seiner Aktion. Er hatte auf den ersten Blick ein Störfeuer zwischen uns entzündet, indem er das Aussehen des Kindes veränderte.

Weil er es konnte, und der Junge seinem Vater gefallen wollte.

Immer dann, wenn du merkst, dass deine Reaktion in den Mittelpunkt gestellt wird, ist das ein sicherer Hinweis darauf, wem die Aktion gilt.

Die einzige Haltung, die dich hier weiterbringt, ist die der Akzeptanz und des Loslassens, wenn dir etwas Ähnliches passiert. Reagiere möglichst nicht darauf, wenn das Kind schon größer ist. Achselzucken und gepflegtes Desinteresse dem toxischen Ex gegenüber sind angezeigt, damit ihm die Lust an zukünftigen Aktionen vergeht.

Spätestens, wenn das Kind 15, 16 Jahre alt ist und mit grüngefärbten Haaren nach Hause kommt, kannst du freudig aufatmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich aus freien (oder rebellischen) Stücken zu dieser Frisur entschlossen hat, ist dann sehr hoch.

Hast du auch eine eigene Kinder-Friseurgeschichte mit deinem toxischen Ex-Partner?

Dann kommentiere doch weiter unten und lass die anderen Mütter daran teilhaben. Ich glaube nämlich nicht, dass es sich um Einzelfälle handelt, was ich so den Berichten der Mütter in meinen Gruppen entnehmen kann. Vielen lieben Dank!

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