Von der Ohnmacht mit dem Umgang und dem Ziel, gelassen zu bleiben

1 Kommentar

Dieser Moment, wenn dir dein 8-Jähriger nach dem Umgangswochenende mit dem Papa ganz stolz erzählt, dass er in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag erst um 2 ins Bett kam und „alle anderen schon tief und fest schliefen“ – das ist schon etwas ganz – hmm – Spezielles. Wie sich herausstellt, war Sohnemann anfangs noch mit dem Papa und dessen Freundin auf der großen Geburtstagsfeier des Nachbarn irgendwo in einer großen Halle gewesen, der Vater sei dann aber schon um 10 Uhr mit seiner Freundin nach Hause gefahren.

Mein Sohn ist mit dem Nachbarsjungen sehr gut und innig befreundet. Wahrscheinlich hat es den Nachbarn auch gerade gut gepasst, dass ihr Sohn auf der Party noch den Spielkameraden dabei hatte, so dass der keine Langeweile bekam. Um 2 Uhr nachts fuhr der Nachbar dann noch die ganze Familie inklusive unserem Sohn mit dem Auto nach Hause. Der, dessen Geburtstag ja gefeiert worden ist.

Es war wohl vereinbart, dass der Junge nicht klingeln sollte, sondern die Terrassentür offen blieb, durch die er ins Haus kommen konnte. Somit musste noch nicht einmal jemand aufstehen und die Tür aufmachen.

Ich weiß nicht, ob der Nachbar viel oder wenig oder überhaupt nichts getrunken hat.

Ich weiß, der Mann ist ein sehr guter Autofahrer (von Berufs wegen).

Ja, die Nachbarsfamilie ist dem Jungen nicht fremd, er geht dort mehr oder weniger ein und aus.

Und mein Junge ist vollkommen stolz darauf, mal bis 2 Uhr aufgeblieben zu sein. Länger als die eigenen Eltern! Auch von dieser Seite kein Schaden zu erkennen.

Ja, es ist nix passiert.

Und trotzdem ist mein Herz in voller Aufruhr.

Während des Umgangswochenendes ist der Vater voll verantwortlich für das Kind.

Nur was, wenn der Vater selbst überhaupt keine Verantwortung übernimmt? Was wäre gewesen, wenn der Nachbar mit einem entsprechenden Alkoholspiegel einen Unfall gebaut hätte? Und dem Kind etwas passiert wäre? Klar hätte mein Ex mit dem Finger auf ihn gezeigt und gesagt: „Du bist schuld!“

Dass er selbst mindestens 50% – wenn nicht sogar mehr – Schuld getragen hätte, würde ihm gar nicht in den Sinn kommen.

Warum lässt er sein Kind allein auf einer großen Erwachsenen-Party? Und den Nachbarn dafür sorgen, wie der Junge nach Hause kommt? Warum sorgt der nicht für ein Taxi, selbst wenn er nur zwei Bier getrunken haben sollte?

Wenn ich jetzt die ganze Angelegenheit klarstellen wollte, würde ich – sehr wahrscheinlich – nur sarkastische Beschimpfungen als Antwort bekommen. Ich würde mit einer Email wieder Energie abgeben; Energie, die ich selbst für mich brauche (und die gerade schon zur Genüge in diese Zeilen fließt).

Auch das Jugendamt kann ich mir sparen. Ist ja nix passiert! Was würde ich auch damit erreichen? Vielleicht einen Hinweis, dass wir unbedingt in eine Mediation gehen sollen? Das unmittelbare Kindeswohl sei ja akut nicht gefährdet?

Würde ich den Umgang einschränken können? Oder das überhaupt wollen? Ganz klar NEIN.

Mein Blick richtet sich auf meinen Jungen. Ich würde ihm das Herz brechen, wenn ich den Umgang einschränken wollte und nun alle Hebel in Bewegung setzen würde, um Zoff zu machen. Letztlich müsste er das dann ausbaden. Warum er mir das überhaupt erzählt hätte?

Irgendwie habe ich aber trotzdem das dringende Bedürfnis ein klares Statement abzugeben, z.B.:

Ich bin damit nicht einverstanden, wie du das gehandhabt hast, und ich wünsche, dass du zukünftig deine Verantwortung als Vater nicht abgibst!

Aber ach – wen interessiert das schon? Der Vater würde nur mit den Augen rollen.

 

Eine Analyse der Handlungsmöglichkeiten

Ich könnte den Nachbarn ansprechen und nachfragen, ob er tatsächlich alkoholisiert nach Hause gefahren ist und warum er kein Taxi gerufen habe. Er wird mir bestimmt ganz ehrlich antworten.

Ich würde einer wahrscheinlich tollen Geburtstagsfeier einen schlechten Nachgeschmack mitgeben, und es ist sehr gut möglich, dass der Junge das auch mitbekommen wird.

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Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Wenn ein Mensch die Fähigkeit nicht besitzt, sich empathisch in seine Mitmenschen – und in sein Kind – einzufühlen, dann wird es immer wieder zu solchen Zwischenfällen kommen. Solche Menschen können einfach nicht erkennen, dass sie keinen kleinen Erwachsenen vor sich haben, sondern ein Kind, welches noch nicht in der Lage ist, eigene Entscheidungen zu treffen. Wahrscheinlich hat der Junge gebettelt, noch bleiben zu dürfen. Und für alle Erwachsenen war es so einfacher. Der Vater ist doch so liberal…!

Warum den Spielverderber geben und Grenzen ziehen, die einem Achtjährigen angemessen wären?

 

Fazit:

Soll ich zukünftig zu Hause sitzen, die Hände in den Schoß legen und mir meine Gedanken machen, was dem Jungen alles passieren kann, weil es den Vater offensichtlich nicht besorgt, was das Kind in seiner Abwesenheit mit anderen Erwachsenen erlebt?

Sieht ganz so aus.

Was kann ich sonst auch tun? Ich kann mir auf jeden Fall das ganze Ärger-Brimborium sparen, die Geschichte ist einfach „rum ums Eck“. Denn wenn ich eins gelernt habe in den letzten Jahren, dann dieses:

Konstanter Ärger und Email-Pingpong sind ein Minusgeschäft, bei dem eine Menge negativer Energie aufgebracht werden muss und das Ergebnis noch weniger als Null ist.

Ich kann aber nach mir selbst schauen und daran arbeiten, gelassener zu werden, um solche Situationen souverän zu händeln – je nachdem, was ich selbst für Handlungsräume habe. Diese muss ich aber auch dann als solche erkennen können.

Und ich kann das Kind stärken. Im obigen Beispiel wollte der Junge ja unbedingt dableiben. Aber es wird noch ähnliche Situationen geben, in denen der Junge nicht so will wie sein Vater, und dann muss er Nein sagen dürfen.

Was ich nicht tun kann? Das Kind vor der Nicht-Verantwortungsübernahme durch den Vater zu schützen. Da müssen wir Mütter loslassen lernen.

Wie denkst du darüber? Ich freue mich über deinen Kommentar unten.

Heidi

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