Du gehörst bald zu den Ü50? Gratuliere!

Was – du kannst das nicht mehr hören? Du hältst das für hohles, verlogenes Gewäsch?

Okay, dann muss ich ein wenig ausholen, damit du mich verstehst – denn ich meine es wirklich so.

Stell dir vor, du wärst wieder 17 Jahre alt. Erinnerst du dich noch an dieses Alter, genauer: an dieses Lebensjahr? Kannst du dich an das Gefühl der unbändigen Sehnsucht erinnern: Ein Jahr, dann bin ich endlich 18…! Noch 10 Monate, dann! Ein halbes Jahr… boah, warum zieht sich das nur so elendig lange hin?

18 Jahre alt zu werden war – und ist immer noch – eine richtig große Sache. Ein Meilenstein. Hinter der 18 warteten die Freiheit, der Führerschein, grenzenloses Ausgehen. Endlich erwachsen! Hochoffiziell! Und die Eltern hatten einem nix mehr zu sagen (als ob sie das ein oder zwei Jahre vorher noch hätten tun können…)!

Nun ja. In meinem Fall musste ich noch ein weiteres Jahr die Füße unter dem Esstisch still halten, da ich mein Abi erst mit 19 in der Tasche hatte. Trotzdem. Der 18. Geburtstag verhieß die ersehnte Freiheit – und die hatte man dann ja auch. Inklusive der Freiheit, alle blöden Fehler zu machen, die sich auf dem Weg ins Älterwerden ergaben.

Was hat das heute mit uns beiden zu tun – der 18. Geburtstag ist schließlich schon eine Weile her?

Eine ganze Menge.

So, wie wir damals den 18. Geburtstag herbeigesehnt hatten, haben wir es danach nie wieder getan. Auf den 25. gefreut? Vielleicht, wenn der Studienabschluss davor lag und man wusste, spätestens dann ist alles vorbei. Auf den 30. dann schon wieder weniger. Da fingen sie schon an, die blöden Unkensprüche der Anderen. Der 40. Geburtstag ist eine richtige Zäsur. Spätestens dann wird nämlich die Kinderfrage für Frauen elementar. Und auch für Männer stellt sich die Frage nach der Familiengründung, falls man bislang noch nicht dazu gekommen ist.

Aber der 50.? Was soll jetzt noch kommen?

Und – verdammt noch mal – wieso bekomme ich Treppenlift-Werbung in mein Email-Postfach?

Verbindest du selbst vielleicht das Alter Ü50 mit Krankheiten, Schwere, Arbeitslosigkeit und Einsamkeit? Wieso haben wir alle nur so ein schlechtes Bild von dieser nächsten Dekade? Sind wir so darauf geeicht, nur die schlechten, deprimierenden, angstmachenden Informationen zu speichern? Wo sind eigentlich die guten Vorbilder?

Welche Bilder von Ü50-Jährigen haben wir eigentlich im Kopf?

Ich halte übrigens schon seit vielen Jahren meinen Radar offen für ältere Frauen, um mich an ihnen zu orientieren und von ihnen zu lernen. Ich brauche so genannte Role Models. Wo geht die Reise hin? Wie will ich werden? Wer will ich sein mit 55? Welche meiner Macken darf mich auch noch begleiten, wenn ich 60 bin? (Da muss ich noch auszählen, alle darf ich in die übernächste Dekade bestimmt nicht mitnehmen 🙂 ) Was will ich bis dahin erreicht haben? Was darf auf keinen Fall passieren?

Ja, ich kenne auch ein paar Frauen, die all das repräsentieren, was ich nicht denken und werden will. Das sind ebenfalls Role Models – wenn auch im negativen Sinn. Da ich mein Hirn aber lieber mit positiven Gedanken fülle, halte ich eher Ausschau nach den starken Vorbildern, die mit sich in Balance und im Reinen leben, viel lachen und ein unabhängiges Leben führen können. Ja – da will ich hin!

Das ist aber nur eine Facette, die in dem Fall die innere Entwicklung betrifft. Auf der anderen Seite gibt es die unzähligen Dokumentationen im Fernsehen oder in Magazinen über Altersarmut, Arbeitslosigkeit oder Krankheit, die einem echt Angst machen können.

Hast du an dieser Stelle Lust auf ein Experiment?

Ich stelle dich einem Bekannten vor. Nennen wir ihn Otto Grünbügel (lieber Otto Grünbügel, falls es dich tatsächlich mit diesem Namen gibt, nimm bitte Kontakt mit mir auf, dann feiern wir diesen schrägen Zufall!). Wir schreiben das Jahr 2026.

Otto ist 58 Jahre alt. Er hat zwei erwachsene Kinder, die allerdings noch in der Ausbildung stecken und die er daher zusätzlich finanziell unterstützt. Otto ist schon seit über 10 Jahren getrennt, hat sich aber soweit gut mit seiner Ex arrangiert, man sieht sich zu Familienfesten ohne miteinander zu hadern und übt sich im respektvollen Umgang. So weit, so gut. Lassen wir Otto jetzt mal erzählen, wie er das Alter sieht:

Ehrlich gesagt hatte ich es mir viel schlimmer vorgestellt. Es war zwar nicht alles toll in den letzten 5, 6 Jahren, aber ich muss sagen, überhaupt kein Vergleich zu meinen Dreißigern. Auch die Vierziger waren alles andere als einfach, der Druck war enorm. Was habe ich da geschuftet und Überstunden gemacht, damit ich Karriere machen konnte! Das Haus, das Auto, die Familie, die Hypothek – ich frage mich heute verwundert, warum ich damals eigentlich keinen Burnout bekam. Wahrscheinlich hatte ich nur Glück.

Heute geht es mir besser denn je. Ich bin im Großen und Ganzen gesund, denn ich achte auf mich und meine Fitness. Die größte Hypothek ist abbezahlt, die kleineren habe ich ganz gut im Griff. Der Umgang mit meinen Kindern ist viel entspannter geworden, seitdem die Pubertät vorbei ist. Ich bin auf die zwei wirklich stolz, die werden ihren Weg schon gehen. Und ich sage ihnen das auch hin und wieder.

Letztes Jahr habe ich dazu Gisela über ein Datingportal kennengelernt, welches sich auf 50 bis 60Jährige spezialisiert hat. Sie ist beruflich selbstständig und weiß genau, was sie will. Ich hätte nicht gedacht, dass eine Beziehung im Alter noch einmal so schön sein kann. Wir haben beide unsere Erfahrungen gemacht, jetzt sind wir freier und weniger Druck ausgesetzt als in jungen Jahren. Wir kennen unseren (Selbst-)Wert.

Der 50. Geburtstag war für mich ein wichtiger Meilenstein. Ich erkannte, dass ich meinen damaligen Job in der Versicherung nicht bis zur Rente weitermachen wollte. So setzte ich mich auf meinen Hosenboden und überlegte. Was will ich machen? Was war schon immer mein Traum? Was kann ich gut – und mit ganzer Leidenschaft?

Auf der anderen Seite war da der Unterhalt für die Kinder zu zahlen, die Hypothek war noch nicht weg – eine absolut schwierige Situation. Aber ich habe angefangen, mit kleinen Schritten meinen Absprung vorzubereiten. Einen harten Cut hätte ich wohl nur machen können, wenn ich genügend finanzielle Mittel gehabt hätte. Aber die waren limitiert, also brauchte ich Geduld, Beharrlichkeit, mein Ziel vor Augen und den alten Job eine Weile im Rücken.

Nur für den Fall, dass du fragst: Ja, das war eine stressige und aufregende Zeit. Aber immerhin besser als dieses „Oh je, es ist wieder Montag!“-Gefühl. Ganz im Gegenteil, ich war zu der Zeit richtig energiegeladen!

Ich habe mich schließlich mit einem Ü50-Online-Reisebüro selbstständig gemacht. Das Schöne dabei: Ich kann meinem Hobby, dem Reisen, nun uneingeschränkt frönen, und mein Business von überall ausüben!

Das Leben ist wunderbar, und ich genieße diese Zeit wirklich sehr! Hätte ich das nur vorher gewusst oder geahnt, dann hätte ich mir viel Gedankenmüll und Kummer erspart, als es auf den 50. zuging!“

Danke, Otto, für diesen Bericht!

Okay, okay, ich gestehe: das ist jetzt eine erfundene Story gewesen.

Aber findest du dieses Ü50-Szenario wirklich so unrealistisch?

Was sagst du dazu, wenn es heute schon Studien (ich werde in zukünftigen Artikeln noch näher darauf eingehen) darüber gibt, in denen tatsächlich belegt wird, dass dieses Alter das Potenzial dazu hat, dein bestes Lebensalter zu werden?

  • Dass eher die Endzwanziger einen Heidenschiss vor dem 30. oder 40. Lebensjahrzehnt haben müssten, weil das das mit Abstand schwierigste Alter ist? Nicht, weil man die ersten Falten bekommt – sondern weil man ackert wie blöd und 10, 15 Jahre später nicht mehr weiß, warum man das überhaupt getan hat. Und die vielleicht größten Lebensfehler in diesem Zeitraum gemacht werden.
  • Das wird dein Jahrzehnt, weil der Druck nachlässt. Weil sich viel mehr Türen öffnen. Weil die gesundheitliche Vorsorge so gut geworden ist, dass wir mit wenigen Tricks und Kniffen lange gesund bleiben können. Weil die Technik sich so rasant entwickelt – und zwar nicht komplizierter wird, wie es damals die ersten Computer am Arbeitsplatz unserer Eltern gewesen sind, sondern viel, viel einfacher und selbsterklärender wird.
  • Weil wir Deutschen in den vergangenen Jahrzehnten so wenig Kinder bekommen haben, dass auch dieser demografische Wandel uns Älteren in die Hände spielt. Die Industrie kann es sich gar nicht leisten, die 50jährigen auszusortieren. Zugegeben: Manche Firmen haben das noch nicht kapiert. Aber das kommt noch – vertrau mir!
  • Und falls du keine Lust mehr hast, bei anderen Unternehmen dein Knowhow wie sauer Bier anpreisen zu müssen: Du hast heute viel mehr Möglichkeiten ein eigenes Business aufzubauen. Unabhängig vom Alter, deiner Ausbildung, deinem vorhandenen Kapital.

Warum erzähle ich dir das alles?

Ganz einfach: Wenn die Anzeichen stimmen, und die Zeit Ü50 unser bestes Lebensjahrzehnt wird, dann haben wir heute allen Grund, uns auf den 50. Geburtstag zu freuen und eine Riesenparty zu feiern.

Genauso wie damals unseren 18.